21 APR 2024
Trainingstechniken in der Arbeit mit Pferden
In den Stall fahren, das Pferd liebhaben, es trainieren, reiten, versorgen, …
Moment – trainieren? Das ist doch wieder einer dieser Überbegriffe, mit denen man sowieso nichts anfangen kann. Also mal Butter bei die Fische
Noch einen Moment – Dir sind die Begrifflichkeiten bekannt und du willst direkt zu den Studien springen?
Training – Wovon sprechen wir überhaupt?
Da war es wieder, dieses Ding mit den Definitionen – ja, I know, es langweilt. Und ist ja auch gar nicht so wichtig, wenn alle wissen, wovon man redet. Oder? Ja – WENN alle wissen, wovon man redet und v.a. das gleiche dabei meinen. Denn das ist gar nicht so einfach. In deinem Alltag fällt das vielleicht nicht so auf, aber hast du mal nach einem „Pferdetrainer“ gesucht? WAS hast du dabei gesucht? Jemand, der dein Pferd zu sportlichen Höchstleistungen aufbaut? Jemand, der dir und deinem Pferd Unterricht gibt? Jemand, der dein Pferd (weiter) reiterlich ausbildet? Jemand, der deinem Pferd das Reiten erklärt? Jemand, der deinem Pferd unerwünschtes Verhalten abtrainiert? Jemand, der deinem Pferd überhaupt erstmal die Welt der Menschen näherbringt?
Ja, das alles kann in einem „Training“ aufgebaut sein und verfolgt unterschiedliche Bestandteile der Pferd-Mensch-Partnerschaft. Also, lass uns über Begrifflichkeiten sprechen, damit wir wissen, dass wir von ein und derselben Sache reden!
Eine Methode ist ein Verfahren in seinem Ganzen, etwas Bestimmtes zu erreichen [1], z.B. kannst du Plätzchen backen, indem du Zutaten zusammenmischt, den entstandenen Teig ausrollst, Formen ausstichst und diese dann im Ofen backst. Es geht also darum, nach einem bestimmten Schema ein Ziel (die Plätzchen) systematisch zu erreichen. Und dieser Ablauf ist vorher bekannt und entsprechend geplant (du überlegst ja beim Plätzchenbacken auch nicht, ob du sie am Ende oder am Anfang oder überhaupt nicht in den Ofen steckst – ok, außer der rohe Teig ist so lecker, dass sie es nicht mehr in den Ofen schaffen 🤫). Wenn wir das Ziel des Anreitens im Kopf haben, dann strukturieren wir dieses systematisch und planmäßig in bestimmten Teilschritten. Machst du das immer in der gleichen Art und Weise, dann hast du deine Methode des Anreitens kreiert!
Eine Technik ist ein Verfahren im Speziellen, um etwas Bestimmtes auszuführen [1], z.B. wie du deinen Plätzchenteig ausrollst. Es geht also um die Art und Weise, wie ein Teilschritt durchgeführt wird. Beim Anreiten könnte deine Technik z.B. beschreiben, wie der Sattel das erste Mal aufgelegt wird.
Dabei ist Training das systematische, regelmäßige Durchführen einzelner Schritte, bzw. das systematische, regelmäßige Üben einzelner Fähigkeiten, zum nachhaltigen Erreichen eines Ziels [2,3]. Wenn du jetzt regelmäßig Plätzchen backst und dein Teig Ausrollen dabei präzise übst, optimierst und verbesserst, dann ist das dein Teig-Ausroll-Training. Wenn du mal eben in der Vorweihnachtszeit die eine Fuhre Plätzchen backst und versuchst, sie dieses Jahr mal etwas schöner hinzubekommen als letztes Jahr, dann ist das kein Training. Es geht also darum, dass etwas systematisch, planmäßig und strukturiert durchgeführt wird, um dieses Etwas am Ende effizienter durchführen zu können. Beim Satteln hätten wir also einerseits das Training, dass du den Sattel möglichst sanft und leicht auf den Pferderücken legst; und andererseits das Training, dass das Pferd still stehenbleibt und entspannt abwartet bis der Sattel auf seinem Rücken liegt (und du das Go zum Bewegen gibst). Übrigens ist sportliche Aktivität (ja, es gibt einen Unterschied zu „Sport“) nur dann „Training“, wenn diese Aktivität auch systematisch aufgebaut ist, regelmäßig stattfindet und ein nachhaltiges Ziel verfolgt (wenn dann noch das Ziel eines Wettkampfs o.Ä. dazukommt, dann ist das „Sport“ [2,3]).
Stattdessen ist Ausbildung einfach eine Aneignung von Fähigkeiten [1]. Die Ausbildung ist aber so extrem wichtig, weil die quasi die Puzzlesteine für das Training legt. Wenn das Pferd noch gar nicht verstanden hat, dass es still stehenbleiben soll, dann muss ihm das erstmal erklärt werden, bevor es in Training geht, länger und unter schwierigeren Bedingungen still stehenbleiben zu können.
Zurück zur Methode – wann ist sie wissenschaftlich?
Ich habe ja oben schon geschrieben: sofern du dein Ziel systematisch, planmäßig und in sinnvollen Teilschritten erreichst und das immer gleich abläuft, hast du deine Methode. Nur, weil deine Methode bei dir funktioniert, heißt das aber nicht, dass sie besonders „gut“ ist. Es kann sein, dass es „bessere“ Methoden gibt, die dasselbe Ziel effizienter erreichen.
Unter anderem das wird bei wissenschaftlichen Methoden untersucht. Aber bei wissenschaftlichen Methoden geht es noch um viel mehr: Die Methode ist klar und deutlich schrittweise erklärt, d.h. jeder, der das liest, kann „das Rezept nachkochen“ und (theoretisch) das gleiche Ergebnis erhalten. Die Methode hängt mit einer spezifischen Fragestellung zusammen, um Beweise für Ergebnisse zu belegen und diese Ergebnisse nicht allein auf Behauptungen zu stützen. Die Methode wird zusammen mit den Ergebnissen außerdem kritisch evaluiert, ihre Limitierungen beleuchtet, und Zusammenhänge mit ähnlichen Vorgehensweisen diskutiert [4]. Im besten Fall werden verschiedene Methoden, die das gleiche Ziel verfolgen, gegenübergestellt und anhand von verschiedenen „Leistungsparametern“ (z.B. nach wie vielen Versuchen wurde das Ziel erreicht) miteinander verglichen, um festzustellen, welche Methode effizienter ist.
Du siehst also, bei einer wissenschaftlichen Methode geht es weniger darum, bekannte wissenschaftliche Techniken anzuwenden, oder wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Durchführung der Methode zu berücksichtigen (auch, wenn das natürlich schlüssig ist). Es geht aber vielmehr darum, die wissenschaftliche Methode explizit und schrittweise zu beschreiben, qualitativ und messbar zu evaluieren und ihre Anwendbarkeit in Bezug zu Einschränkungen (denn die gibt es immer in irgendeiner Weise) zu diskutieren.
Wieso ich darauf so sehr herumreite (haha – Wortwitz)? Weil es in der Pferdebranche zu viel „wissenschaftliches Pferdetraining“ gibt, das gar keins ist – noch nicht mal in seinem Training, seiner Technik und erst recht nicht in seiner Methode. Schau dir dazu auch gerne nochmal meinen Blog Beitrag zum wissenschaftlichen Arbeiten an!
Und ich? Nach welcher Methode arbeite ich?
Achso – nach welcher Methode arbeite ICH eigentlich? Nach keiner, um ehrlich zu sein. Ich verfüge über einen mittlerweile ziemlich großen „Werkzeugkasten“ aus verschiedenen Techniken für die unterschiedlichsten Einzelschritte und Situationen. Je nach Trainingssituation verwende ich das „Werkzeug“ (die Technik), die in diesem Moment für das Pferd am geeignetsten ist – meiner Erfahrung und meinen Kenntnissen entsprechend. Dabei berücksichtige ich z.B. auch, was und wie das Pferd bereits von seinen Besitzern gelernt hat und muss meine Technik ggf. entsprechend anpassen.
Übrigens liegt mein Kerngebiet auf dem Training von Pferden – d.h. dem strukturierten, regelmäßigen und planmäßigen Üben verschiedener Einzelschritte, um Teilziele zu erarbeiten, damit ein vorher definiertes Trainingsziel erreicht wird. Du kannst aber auch mit mir zusammenarbeiten, wenn du einfach nur üben willst, ohne ein spezifisches Ziel (außer besser zu werden) zu erreichen; wenn du etwas Neues kennenlernen möchtest; wenn du unregelmäßig mit mir zusammenarbeiten möchtest. Und ganz nebenbei kannst du dein Training mit meinem Trainingstagebuch planen, dokumentieren und evaluieren.
Schauen wir uns nun verschiedene Trainingstechniken an
Trainingstechnik – also eine bestimmte Art und Weise oder bestimmte Übungen, um einem Pferd etwas bestimmtes beizubringen.
Und da gibt es am Boden soooo viele Techniken, die alle auf unterschiedlichste Art und Weise angewandt werden können, selbst wenn sie dasselbe Ziel verfolgen.
Beim Longieren oder Doppellongieren wird das Pferd v.a. auf einer Kreisbahn bewegt.
Damit kann man das Pferd wunderbar gymnastizieren, ihm grundlegende Signale (z.B. treibende und verlangsamende Signale) beibringen, es aber z.B. auch an Zügelhilfen heranführen.
Aber Vorsicht: das „Ablongieren“, um „überflüssige Energie loszuwerden“ ist weder sinnvoll noch nachhaltig. Im Gegenteil: es kann schwerwiegende gesundheitliche und Verhaltensprobleme begünstigen und damit dein eigentliches Training beeinträchtigen! [5]
Bei Roundpen oder Liberty Arbeit wird das Pferd frei oder an einem kürzeren Leitseil, aber ebenso v.a. auf einer Kreisbahn bewegt.
Damit kann man dem Pferd also auch Signale beibringen, ihm aber v.a. auch Druckunterschiede erklären, oder es an neue Reize heranführen. Auch der Einsatz der Körpersprache kann wunderbar im Roundpen oder bei der Freiarbeit geübt werden.
Was allerdings nicht funktioniert, ist, mit dem Pferd als „Herdenmitglied“ zu interagieren oder sich als „Leittier“ zu etablieren – denn das Pferd weiß sehr genau, dass der Mensch kein Pferd ist; es geht keine (freiwillige) Herde mit entsprechender Struktur mit uns ein; und Leittiere gibt es in einer Pferdeherde sowieso nicht. [5,6]
Bei (klassischer) Bodenarbeit oder Handarbeit wird das Pferd an einem kurzen Seil oder den Zügeln bewegt und zwar in direkter Nähe des Menschen – es läuft also nicht um den Menschen herum, sondern mehr mit dem Menschen zusammen.
Damit kann man das Pferd auf unterschiedlichste Weise sehr kontrolliert gymnastizieren, ihm verschiedene Hilfen (insb. Schenkel- und Zügelhilfen) erklären und v.a. üben, eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen und aufrechtzuerhalten, was einen wunderbaren Effekt für den Muskelaufbau und die Tragfähigkeit haben kann.
Trotzdem ist Vorsicht geboten, das Pferd nicht zu früh in eine bestimmte Körperhaltung zu zwingen (z.B. auch unter Verwendung von zusätzlichem Equipment), sondern diese Körperhaltung schrittweise mit sinnvollem Gymnastizieren aufzubauen.
Referenzen
- Oxford Languages, online dictionary.
- Hohmann A, Lames M, Letzelter M, Pfeiffer M. 2020 Einführung in die Trainingswissenschaft. 7., überarbeitete Auflage. Wiebelsheim: Limpert Verlag.
- Fröhlich M, Ludwig O. 2019 Trainingsbegriff im Sport. In Bewegung, Training, Leistung und Gesundheit (eds A Güllich, M Krüger), pp. 1–16. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
- Universität Leipzig Methodenportal, „Was sind Methoden?“, 04.03.2023.
- Fenner K, Mclean AN, McGreevy PD. 2019 Cutting to the chase: How round-pen, lunging, and high-speed liberty work may compromise horse welfare. J. Vet. Behav. 29, 88–94.
- Krueger K. 2007 Behaviour of horses in the “round pen technique”. Appl. Anim. Behav. Sci. 104, 162–170.