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Pferdeohren können sich, gesteuert von 10-16 Muskeln (Menschen haben nur 3 Ohrmuskeln), jeweils um 180° drehen – einzeln und unabhängig voneinander [1]. Über zahlreiche Studien mit speziellen Laut-Experimenten wurde herausgefunden, dass Pferde Frequenzen von ca. 50 Hz bis ca. 33.500 Hz hören können [2,3,4,5,6]. D.h., sie können, genauso wie wir, keinen Infraschall (<20 Hz) hören, aber hören die hohen Frequenzen des Ultraschalls (>20.000 Hz), die wir Menschen nicht mehr wahrnehmen.

Niedrige Frequenzen sind langwellig und können sich darum über große Entfernungen und bei dichter Vegetation ausbreiten. Studien berichten, dass Pferde Laute bis über 4 km Entfernung wahrnehmen können [7]! Hohe Frequenzen sind kurzwellig und dienen darum eher der Kommunikation im Nahbereich [8], sowie der Orientierung im Raum, insb. nachts – du hast sicherlich schon einmal gehört, dass z.B. Fledermäuse sich im dunklen hauptsächlich mithilfe von Ultraschall orientieren. Weil Pferde so unfassbar gut hohe Töne wahrnehmen können, muss dieses Hörvermögen eine evolutionäre Ursache haben [9]: Pferde, die sich anschleichende Angreifer extrem gut hören, überleben eher und vererben damit ihr gutes Hochfrequenzhören an ihre Nachkommen. Dass Pferde Ultraschall hören, den wir nicht wahrnehmen können, kann problematisch werden. Denn viele unserer elektronischen Geräte produzieren Ultraschall-Laute, z.B. auch Alarmanlagen, Weidegeräte, oder Geräte zum Vertreiben von Insekten.

Dadurch, dass Pferde ihre Ohren unabhängig voneinander bewegen können, können sie die Richtung, aus der ein Laut kommt, relativ gut feststellen. Dabei ist zu bedenken, dass sie höhere oder längere Laute (z.B. ein Wiehern) besser lokalisieren können als tiefere oder kürzere Laute (z.B. ein Peitschenhieb) und die kürzeren Laute darum eher erstmal ein Fluchtverhalten auslösen [10]. Das trifft insb. auf hohe Frequenzen zu, die eher von nur einem Ohr wahrgenommen werden (je nach Richtung) [11]. Hohe Frequenzen heißt aber auch diese Töne, die wir Menschen gar nicht wahrnehmen, und erklärt so manch ein Fluchtverhalten vor augenscheinlichen „Gespenstern“.

Um es in Saslow’s Worten zu sagen:

“Es gibt viele Situationen, in denen der Mensch dem Pferd taub, gleichgültig oder einfach nur dumm vorkommen muss.” [10 p. 218]

Methoden

20 Tage vor dem Verkaufsstart für Feuerwerke für Guy Fawkes wurde eine online Umfrage über Social Media verteilt [32]. In der Umfrage konnten die Teilnehmenden allgemeine Angaben zu ihrer Pferdehaltung (Art, Lokation, Anzahl der Tiere) und der Verwendung der Pferde machen, sowie spezifische Angaben zu den Reaktionen der Pferde auf die Festivitäten vergangener Jahre, potenziell damit in Zusammenhang stehenden Verletzungen und vorbeugenden Managementmaßnahmen. Außerdem wurde abgefragt, ob die Pferdebesitzer eher für oder gegen einen Feuerwerksverkauf stimmten.

Die Antworten wurden mit beschreibender und einfacher, vergleichender Statistik ausgewertet. Komplexe statistische Tests, die Zusammenhänge zwischen einzelnen Faktoren evaluieren, kamen nicht zum Einsatz.

Ergebnisse

  1. Fast alle der 1.111 Teilnehmenden berichteten von Verhaltensauffälligkeiten der Pferde (insb. Laufen, Zittern, Schwitzen, Zaunlaufen), 26% davon berichteten zusätzlich von Verletzungen in Bezug zu den Guy Fawkes Feuerwerken, und 35% berichteten außerdem von Ausbrüchen.
  2. Über ein Drittel (39%) der 4.765 Pferde wurden in Bezug zu Guy Fawkes als „ängstlich“ eingeschätzt; etwa genauso viele Pferde (40%) als „sehr ängstlich“ und etwa ein Fünftel (21%) als „nicht ängstlich“.
  3. Vorbeugende Managementmaßnahmen:
    • Die meisten Pferdehalter (77%) stellten ihre Pferde auf Paddocks abseits der Feuerwerke um, was allerdings nur bei weniger als zwei Drittel (63%) als hilfreich eingeschätzt wurde.
    • Etwa die Hälfte der Pferdehalter (55%) haben ihre Pferde eingestallt, was für über zwei Drittel (70%) als hilfreich eingeschätzt wurde.
    • Ein Drittel der Pferdehalter (30%) haben ihre Pferde zeitweise komplett umgestellt, was wohl sehr hilfreich (91%) war.
    • Manche Pferdehalter (19%) haben ihre Pferde sediert, was ebenfalls kurzfristig hilfreich (91%) war.

Diskussion

  1. Die Verhaltensauffälligkeiten zeigen eindeutig Fluchtreaktionen auf die Feuerwerke. Verletzungen und Weide-Ausbrüche erscheinen als logische Konsequenz.
  2. Die subjektive Einschätzung der Pferdebesitzer passt mit den beobachteten Verhaltensweisen der Pferde zusammen, kann aber ggf. fehlgedeutet sein, weil keine einheitlichen Maße für diese Einschätzung verwendet wurden (wie z.B. die Horse Grimace Scale [33]).
  3. Es wurden verschiedene Managementmaßnahmen angewandt, die allerdings nur ansatzweise dazu beitragen, das Angstverhalten der Pferde zu minimieren. Ablenkungsstrategien, die bei Haustieren zum Einsatz kommen (z.B. körperliche Nähe, verschlossene und abgedunkelte Fenster, Musik) sind bei Pferden in Weidehaltung nicht möglich und wegen des ausgeprägten Fluchtinstinkts teilweise gefährlich.

Methoden

Über einen Monat wurde eine online Umfrage über Social Media Kanäle im Vereinigten Königreich und den USA verteilt [45]. Unter den 1.825 Teilnehmenden haben nur 409 (22%), von ungewöhnlichem Verhalten (z.B. Unruhe, Schwitzen, verringerter Appetit) während Lärm (z.B. Feuerwerke) berichtet und entsprechend den gesamten Fragebogen ausfüllt. Der Fragebogen umfasste allgemeine Angaben zur Pferdehaltung, sowie spezifische Angaben zum beobachteten Verhalten der Pferde in Bezug zu Lärm.

Es wurde ein Angstverhalten Score gebildet, indem das beobachtete Verhalten bewertet (nie beobachtet = 0, manchmal = 1, immer = 2) und die entsprechenden Werte pro Pferd/Umfrageteilnehmer addiert wurden. Eine spezielle Clusteranalyse ergab, klassifizierte die Hälfte der Pferde (48%, 181 Pferde, davon 54% Wallache und 46% Stuten) als „leicht ängstlich“ und die andere Hälfte (52%, 195 Pferde, davon 65% Wallache und 35% Stuten) als „sehr ängstlich“.

Die Antworten wurden mit beschreibender und einfacher, vergleichender Statistik ausgewertet. Komplexe statistische Tests, die Zusammenhänge zwischen einzelnen Faktoren evaluieren, kamen nicht zum Einsatz.

Ergebnisse

  1. Die häufigsten Verhaltensauffälligkeiten waren Laufen/Rennen, Zaun-/Boxlaufen, Schwitzen, Zittern, Bocken. Gefolgt von Verdauungsstörungen (Durchfall, Kolik, etc.), vermehrte Vokalisation, Stereotypien, verringerter Appetit, Fieber. Außerdem wurde von Ausbrüchen und Verletzungen berichtet.
  2. „Sehr ängstliche“ Pferde verletzten sich häufiger (26%) als „leicht ängstliche“ Pferde (5%) und brachen häufiger aus (40% „sehr ängstliche“ vs. 13% „leicht ängstliche“ Pferde), wobei Ausbrüche nur von 30% der Pferde berichtet wurden.
  3. Angstepisoden traten für die Hälfte der Pferde weniger als einmal im Monat auf (57% „leicht ängstliche“ und 50% „sehr ängstliche“ Pferde), wobei 18%, bzw. 61% der „sehr ängstlichen“ Pferde Geräuschangst einmal monatlich bzw. wöchentlich zeigten. Dabei trat das Angstverhalten hauptsächlich während dem Lärm auf (80% „leicht ängstliche“, 49% „sehr ängstliche“ Pferde), insb. „sehr ängstliche“ Pferde zeigten Angstverhalten aber auch noch bis zu 2 h nach dem Lärm (35%), bzw. am nächsten Tag oder länger (14%).
  4. Das Verhalten von etwa der Hälfte (54%) der „leicht ängstlichen“ Pferde hat sich im Laufe der Zeit verbessert, was jedoch nur auf ein Drittel (36%) der „sehr ängstlichen“ Pferde zutraf. Während das Verhalten von 4% der „leicht ängstlichen“ Pferde schlechter wurde, hat es sich von 15% der „sehr ängstlichen“ Pferde verschlechtert.
  5. Managementstrategien waren effektiver für „leicht ängstliche“ Pferde als für „sehr ängstliche“ Pferde. Während Feuerwerken haben Pferdebesitzer ihren Pferden vermehrt Heu gegeben, die Pferde eingestallt oder auf einen anderen Paddock abseits der Feuerwerke gestellt. Ein paar wenige Pferdebesitzer haben ihre Pferde sediert, Gehörschutz verwendet, ihr Pferd kurzzeitig umgestellt, Fenster verhangen oder Musik abgespielt.

Diskussion

  1. Die beobachteten Verhaltensweisen als Reaktion auf Lärm passen mit bekannten Verhaltensweisen von Menschen zusammen. Menschen, die unter Geräuschangst leiden, zeigen sich hyperreaktiv und entwickeln verschiedene Verhaltensauffälligkeiten, die mit physiologischen Veränderungen als chronische Stressreaktion einhergehen [46,47]
  2. Managementstrategien sind wenig erfolgversprechend.
  3. Pferdebesitzer sind aufgeschlossen gegenüber Medikamenten, die die Geräuschangst ihrer Pferde minimieren könnten. Entsprechende Medikamente müssen aber noch weiter erforscht und letztendlich zugelassen werden (z.B. Desmedetomidine [28])

Zunächst einmal solltest du dir klarmachen, dass Pferde Geräusche viel intensiver wahrnehmen als wir. Was wir bereits als Lärm empfinden, ist für Pferde nochmal lauter! V.a. kurze, unvorhersehbare Laute können dein Pferd erschrecken und den Fluchtinstinkt auslösen, was zu einem erhöhten Verletzungsrisiko und langanhaltenden gesundheitlichen Folgen führen kann.

Maßnahmen, dein Pferd vor kurzzeitigen Lärmereignissen, wie Feuerwerken, zu schützen, sind umso weniger erfolgversprechend, je weiter sich die Geräuschangst deines Pferdes bereits entwickelt hat. Wenn dein Pferd nur „normal“ erschrickt, kannst du es evtl. durch eine zusätzliche nächtliche Heufütterung und/oder entspannender Musik in der Silvesternacht ablenken. Insbesondere, wenn du keine Möglichkeit hast, dein Pferd in einem sicheren Stall oder auf einem abgelegenen Paddock unterzustellen, solltest du dein Pferd unbedingt beobachten, um Ausbrüche als Folge von Fluchtverhalten und einem damit verbundenen erhöhten Unfallrisiko vorzubeugen. Falls dein Pferd ausgeprägte Angst zeigt, kann dir dein Tierarzt evtl. beruhigende Medikamente verschreiben.

Wenn du mit deinem Pferd nicht bereits an einer Desensibilisierung auf unvorhersehbare Laute arbeitest, dann ist jetzt die Zeit, dieses Verhaltenstraining anzugehen! Denn nur mit einer schrittweisen Desensibilisierung und regelmäßiger Gegenkonditionierung kannst du deinem Pferd langfristig verständlich machen, dass plötzliche Laute und Lärm prinzipiell keine Bedrohung darstellen.

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